Gastbeitrag: Erste wirkliche Direktwahlen des Bürgermeisters in Timmendorfer Strand am 6. und 20. Mai 2012

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Timmendorfer Strand. Bereits seit 1998 werden in Schleswig-Holstein die hauptamtlichen Bürgermeister nicht mehr von der jeweiligen Gemeinde- oder Stadtvertretung, sondern direkt von den Bürgern gewählt. Dennoch kommt es in Timmendorfer Strand erstmals 2012 zu tatsächlichen direkten Bürgermeisterwahlen, und das voraussichtlich gleich zweimal binnen zwei Wochen: Zunächst am 6. Mai und dann nochmals am 20. Mai 2012.

Als Volker Popp zwei Jahre nach der Einführung der Direktwahl in Schleswig-Holstein erstmals 2000 mit Unterstützung von SPD, WUB und FDP zur Bürgermeisterwahl in Timmendorfer Strand antrat, stellte nur die CDU einen Gegenkandidaten auf. Wie zu erwarten konnte Volker Popp daher als Favorit die Wahl klar mit 67% der Stimmen für sich entscheiden. Das Ergebnis war also nur eine Formsache und der Bürger an der Wahlurne nicht wirklich gefragt.

Entsprechend wahlmüde waren dann auch die Timmendorfer Bürger sechs Jahre später, als Volker Popp 2006 ganz ohne Gegenkandidaten (sic!) mit ungewöhnlichen 87% „wiedergewählt“ bzw. durchgewunken wurde. Nur noch 35% der Bürger gaben ihre Stimme ab. Zum Vergleich: Der jüngste Bürgerentscheid über Hunkes Teehausbrücke brachte sogar fast 42% der Bürger an die Wahlurne.

Ganz anders 2012: Gleich sechs Kandidaten (siehe Foto oben) bewerben sich um die Gunst der Bürger. Vom schwarzen Sven Wilke über den grünen Jens Johannsen bis hin zur roten Hatice Kara sind fast alle politischen Farben mit spannenden Kandidaten vertreten; und nicht zu vergessen die ambitionierten Außenseiter, die vom unabhängigen Andre Brettschneider über den parteilosen Jens Fröhlinger bis hin zum Freibeuter Mike Weber das Kandidatenspektrum weiter aufmischen. Damit sind 2012 erstmals die Anforderungen an eine alternativenreiche Wahl erfüllt, und auch der Ausgang der Bürgermeisterwahl scheint diesmal – was eine echte Premiere für Timmendorfer Strand ist – weitgehend offen.

Doch eines dürfte vielen Bürgern noch gar nicht richtig bewusst sein. Denn während sich viele schon den Wahltag am 6. Mai 2012 im Kalender markiert haben, spricht kaum einer vom 20. Mai 2012. Denn bei der Vielzahl der Kandidaten und aufgrund der sich abzeichnenden Herausbildung zweier Favoriten gehen nicht wenige Beobachter davon aus, dass keiner der sechs Kandidaten in Timmendorfer Strand im ersten Wahlgang am 6. Mai 2012 die erforderliche 50-Prozent-Hürde nehmen wird. Folglich käme es dann zu einer Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten Kandidaten, welche am besagten 20. Mai 2012 stattfinden wird (und welche eine weitere Premiere für die Gemeinde wäre).

Wenn man so will: ausgleichende Gerechtigkeit. Denn erst bekamen die Timmendorfer 2000 und 2006 zwei „unechte“ Bürgermeisterwahlen serviert und bedankten sich prompt mit entsprechend miesen Wahlbeteiligungen. Doch 2012 bietet sich die bisher wirklich einmalige Chance, innerhalb von nur vier Wochen an gleich zwei spannenden und alternativenreichen „echten“ Bürgermeisterwahlen teilzunehmen.

Wem das noch nicht genug Motivation ist, zur Wahl (Pardon: zu den beiden Wahlen) zu gehen, dem sei noch ein wenig Wahlmathematik mit auf den Weg zur Wahlurne gegeben: Bei ca. 7.700 Wahlberechtigten und einer Wahlbeteiligung, die dank der sechs bunten Kandidaten sowie nicht zuletzt auch wegen der taggleich stattfindenden Landtagswahl diesmal bei noch nie gesehenen 60% liegen dürfte, sollten also etwa 4.600 Timmendorfer ihre Stimme abgeben. Wenn also – nur einmal angenommen – einer der beiden führenden Kandidaten z.B. 49% bekommen sollte (also etwa 2.250 Stimmen), dann hätten ihm lediglich gut 50 Stimmen zur absoluten Mehrheit gefehlt.

Sprich: Noch nie war eine Bürgermeisterwahl in Timmendorfer Strand so eng wie dieses Mal, und es ist sehr gut möglich, dass am Ende 50 Stimmen darüber entscheiden, ob wir einen zweiten Wahlgang am 20. Mai erleben oder nicht. Oft klingt es abgedroschen, wenn davon gesprochen wird, dass wirklich jede Stimme zählt. Wer das bei den Bürgermeisterwahlen 2000 oder 2006 gesagt hätte, den hätte in Timmendorfer Strand wohl keiner ernst genommen. Aber dieses Jahr wird es tatsächlich ein Fotofinish geben. Dabei wird nur derjenige Kandidat gewinnen, dem zwei Sachen gelingen: einerseits die eigene Wählerschaft bzw. Parteibasis zu mobilisieren, und andererseits möglichst viele Wechselwähler und Erstwähler für sich zu gewinnen.

Zumindest gilt das für den ersten Wahlgang. Denn in der Stichwahl werden die Karten noch einmal komplett neu gemischt. Aber ob es diesen zweiten Urnengang am 20. Mai in Timmendorfer Strand überhaupt geben wird, hängt vielleicht allein an jenen 50 fehlenden Stimmen. Wenn diese Handvoll Timmendorfer aber doch zur Wahl geht, haben wir am 6. Mai klare Verhältnisse und einen neuen Bürgermeister; aber bleiben trotz der spannenden Wahl zu viele Wähler zu Hause, dann geht das Rennen der beiden Bestplatzierten in die Verlängerung, und Timmendorfer Strand erlebt nochmals zwei Wochen Wahlkampf sowie erstmals zwei „echte“ Bürgermeisterwahlen nacheinander.

Gastbeitrag von Torsten Prochnow

Zum Foto ganz oben (zum Vergrößern bitte anklicken!): Die sechs Bürgermeisterkandidaten für die Bürgermeister-Wahl in der Gemeinde Timmendorfer Strand (von links): Jens Johannsen, Hatice Kara, Jens Fröhlinger, Mike Weber, Sven Wilke und Andre Brettschneider (Foto: René Kleinschmidt)

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